Durch alles durchgehen

Zwei völlig konträre Zustände in mir an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
auf die gleiche Tatsache:
ein Mensch eröffnete mir, dass er sich unserer Beziehung nicht mehr sicher ist.

Am ersten Tag totale Ruhe in mir
und das empfundene Wissen und Verständnis,
dass es mir in Bezug auf den anderen genauso ging.

Am zweiten Tag brach abgrundtiefer Schmerz aus mir heraus:
“Jemand anderes wird es mit ihm besser haben
und alles bekommen, was ich nicht bekam.
Und ich bleibe einsam zurück und habe meine besten Jahre vergeudet.”

Ein unaufhaltsames Weinen quoll aus Untiefen immer wieder hervor,
von dem ich überwältigt wurde.
Dabei wusste ich jederzeit ganz klar,
dass dieses Weinen nicht für den anderen bestimmt war.
Es sollte ihn nicht manipulieren und anklagen,
denn das wollte ich nicht.
Es war nur für mich.

Ich zog mich mit mir allein zurück und ließ es geschehen,
während ich das Weinen total bewusst wahrnahm.
Auch wahrnahm, dass es aus Neid, Haben-Wollen und Verlust entstand,
dass Schmerz und Hass darin waren.
Es war okay, ich sah es – das pure Ego.

Irgendwann war es vorbei und wieder so unwirklich wie es zuvor war.
Denn ich hatte mich mit diesem Prozess erneut dafür entschieden,
den anderen und mich bedingungslos zu lieben
– was auch immer war und sein würde.

Ich konnte wieder ganz frei auf den anderen zugehen
und unser Gespräch wurde sehr erhellend für mich.
Ich entdeckte mehr von ihm und von mir.
Ich entdeckte, was mich bei dem anderen hielt:
körperliche Anziehung, geliebte Eigenschaften, gemeinsame schöne Aktivitäten
sowie ein Versagensgefühl, sollte es zu einer Trennung kommen.
Das Ego.

Ich entdeckte auch, dass ich bedingungslose Liebe “lernen” wollte,
hier und jetzt
und mit dem anderen.
Mit dem Heiligen Geist.
Wofür weder ein Zusammensein in der bestehenden Beziehung
noch ein Verändern oder Trennen eine Rolle spielten.

(Notiert am 05.11.2012)

2 Gedanken zu „Durch alles durchgehen

  1. Danke für diesen Text! Er kleidet viele Gefühle in Worte, die ich hatte, als ich vor einiger Zeit getrennt wurde. Damals hatte ich noch nichts vom KiW gehört, aber doch gesehen, dass ein Versagensgefühl ein wesentlicher Teil meines Schmerzes war.

  2. Lieber Juke, da haben wir beide eine Phase tiefen Schmerzes und Heilens durchlaufen wie so viele Menschen. Versagensgefühle bedeuten, Erwartungen gehabt zu haben und das ist schon die Ego-Fallgrube. Allerdings in dieser Welt ganz ohne Erwartungen zu sein, ist fast nicht möglich. Irgendeine Vorstellung, wie etwas sein sollte, hat man immer. Aber diese jeweils aufzudecken und zu hinterfragen hilft dabei, sich wieder weit und offen zu machen und zu sich selbst zurückzufinden: zur Sicherheit in sich selbst, zum Vertrauen, dass ich alles für die Liebe nutzen kann, die immer in mir ist.

    Der obige Text ist jetzt gute 9 Jahre alt und ich habe ihn nun nach etliche Jahre erstmals wieder durch deinen Kommentar gelesen. So viel ist seither in mir und außerhalb von mir passiert. 2015 kam es tatsächlich zur Trennung von diesem Menschen und ich musste noch durch sehr viel Schmerz hindurchgehen. Doch als dies geschehen war, fand ich 2017 einen neuen Partner, der mich als sehr guter Freund zuvor schon begleitet hatte. Und sowohl die Trennung als auch die neue Partnerschaft lehrt mich nach wie vor, den Kurs in aller tiefe und Konsequenz anzuwenden. Ich übe mich weiter in bedingungsloser Liebe zu allen- Da ist kein Groll mehr auf den damaligen Partner und mit dem neuen Partner erlebe ich durch diese innere Arbeit eine sehr innige Beziehung auf einer ganz anderen und sehr schönen Basis. Wenn ich in mir ruhe, brauche ich nichts, ich bin glücklich und teile dieses Glück und diese Liebe gern. Sei ganz herzlich gegrüßt.

Schreibe einen Kommentar zu Katja Bode Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert